Zwanzig!
- steffigeisler
- Jul 14, 2015
- 7 min read

Der Tag begann frostig - aber sonnig. Schon komisch, wenn man bedenkt, dass in Deutschland am 14. Juli die Temperaturen normalerweise nicht so tief sanken, dass die Felder am Morgen noch von einem sanften Weiß bedeckt sind...
Aber in diesem Jahr ist wohl alles anders.
In diesem Jahr feierte ich meinen Geburtstag in Neuseeland - und eigentlich glaubte ich, dass dies eine sehr große Herausforderung für mich werden würde, da der große Familienmensch in mir an diesem Tag eigentlich gern seine Eltern, Geschwister, Großeltern, Tanten, Onkels, Cousinen und Cousins sowie enge Freunde um sich herum versammelt hätte.
Schon als sich die Wäscheklammer, die an meinem Kalender hängt, langsam dem 14. Juli näherte, sank meine Laune und ich glaubte, es würde mich bald ein sehr großer Heimweh-Tag erwarten.
Aber nichts da - dieser Tag wird mir wohl immer in Erinnerung bleiben, denn meine zweite Familie hier hat sich sehr, sehr viel Mühe gegeben, um diesen Tag so schön wie möglich zu gestalten - und mir mein Heimweh nicht zu nehmen, sondern es gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Natürlich war ich schon emotional sehr berührt, als ich am Morgen aufwachte und die Videonachricht meiner Eltern sowie meines Bruders erhielt (und ich hatte leider nicht einmal mehr Zeit, das Geburtstagspäckchen, das schon vor zwei Wochen hier angekommen war und das ich dann vor mir selbst in meinem Schrank versteckte, auszupacken :D), aber als ich dann zur Arbeit kam (ja, ich habe gearbeitet - es wäre sinnlos gewesen, sich freizunehmen, da ja alle anderen sowieso an der Arbeit gewesen wären und dann hätte ich ja nur allein zu Hause rumgehockt xD), erwarteten mich liebevolle Umarmungen.
Doch das war nur der Anfang. Schon bald begannen einige andere Mitarbeiter damit, den Dining-room zu schmücken - und schon ab diesem Zeitpunkt kam ich mir ein bisschen wie zu Hause vor.
Eine Girlande wurde an der Wand angebracht, Luftballons aufgepustet, Kreppband an den Holzbalken befestigt...

Und dann ging's irgendwann richtig los. Jeremy, mein Housemanager, hatte mir am vorigen Tag schon angekündigt, dass er wohl die anderen Freiwilligen zum Kuchenessen eingeladen hatte, doch als dann nach und nach auch noch einige Mitarbeiter mit den Kids aus den anderen Häusern bei uns einkehrten und JEDES Haus auch noch einen Kuchen mitbrachte, war ich schon ziemlich überwältigt.






Und ganz besonders habe ich mich darüber gefreut, dass nicht nur die Freiwilligen aus den anderen Häusern kamen, sondern letztendlich so gut wie all unsere Wharerangi-Mitbewohner plus die zwei Backpacker, die uns damals besucht hatten und die ich zu meinem Geburtstag eingeladen hatte, weil ich sie damals sehr nett fand (und ich eigentlich echt nicht mehr damit gerechnet hatte, dass sie WIRKLICH zurückkommen!!).

Als dann alle da waren und ich mich in unserer Lounge aufhielt, kam Jeremy mit seiner Familie und einem Kuchen in der Hand, auf dem eine Kerze angezündet war und schließlich erschallte in McGowan-House ein "Happy Birthday" für mich.
Nach dieser kleinen Hymne durfte ich dann die Kerze auf dem Kuchen auspusten und mir natürlich etwas wünschen (...was ich mir gewünscht habe, weiß ich gar nicht, vielleicht auch gar nichts, weil ich in diesem Moment schon sehr überwältigt von der Mühe war, die sich da für mich gemacht wurde..wobei ich mir auch gar nicht sicher bin, ob das nicht alles sogar etwas ZU viel war...Aber gut, beschweren möchte ich mich an dieser Stelle auf keinen Fall :D).

Nach diesem doch sehr traditionellen Geburtstagsbeginn hieß es dann aber: SCHLEMMEN - und zwar jeder so viel, wie er kann!
Für mich hieß es aber plötzlich eher...Arbeiten. Und das ist der Teil, der meinen Tag dann für einige Stunden nicht mehr so angenehm machte, wie er zuerst schien.
Plötzlich sagte man mir, ich solle doch bitte der Mutter einer unserer Residents ein wenig unter die Arme greifen. Unglücklicherweise war sie an diesem Tag noch einmal zu Besuch. Warum ich dann ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt mit ihm eingeteilt wurde, obwohl dies auch noch jemand anderes hätte übernehmen können, verstehe ich nicht so ganz. An dieser Stelle habe ich dann gedacht, dass man sich diese ganze Party dann auch hätte sparen können, denn ab diesem Zeitpunkt habe ich von meiner eigenen Geburtstagsparty so gut wie nichts mehr mitbekommen.
Leute wollten mit mir sprechen und ich wollte mit Leuten sprechen, doch gleichzeitig musste ich auch noch darauf achten, dass ich mich in einer angemessenen Art und Weise um meinen Resident kümmere. Und wenn ein Elternteil dabei ist, ist das noch einmal ein besonderer Druck, da man nie so recht weiß, was der Elternteil an Pflegehilfe erwartet, was er selbst übernehmen will usw.
Und dann muss man auch noch aufpassen, dass man nicht inkompetent erscheint und seine Handgriffe mit viel Selbstbewusstsein ausführt.
Das alles hat dann irgendwie auch viel mit Heuchelei zu tun, was mir überhaupt nicht gefällt, und diese Mutter war dann auch noch so eine, die einem wirklich auf die Hände geschaut hat und auch an einigen Stellen sehr kritisch sein kann (naja, so hat es sich zumindest angefühlt, gesagt hat sie nichts), und dieser psychische Stress ging mir an meinem Geburtstag dann doch ziemlich auf die Nerven.
Hinzu kam noch, dass unsere Spülmaschine kaputt war und wir dann all das Geschirr, was von den vielen Partygästen benutzt wurde, per Hand spülen mussten. Das Gleiche galt für das Geschirr, das wir dann zum Mittagessen verwendeten.
Um drei Uhr war ich dann schon richtig groggy - emotional sowie physisch, denn das Ganze war doch ein sehr großer "Hoscha" und eigentlich hätte ich mich am liebsten nur noch hingesetzt und mal für ein paar Minuten durchgeatmet.
Doch das blieb mir leider vorenthalten - erstens weil das Kind, dessen Mutter dort war, sich erst einmal noch "groß" in die Hose gemacht hatte, als seine Mutter dann weg war (und das zu säubern ist schon ein Akt, wenn sich der Resident nicht in einer Windel befindet xD) und zweitens weil wir dann um drei noch einen Ausflug zu "White Pine Bush" gemacht hatten, wo wir spazieren gegangen sind.
Und dieser Spaziergang war so überhaupt nicht entspannt, da der Resident leider während der Ferien, die er zu Hause verbracht hatte, wohl all seine Manieren verloren hatte und dementsprechend sehr frech war. Dies äußerte sich vor allem darin, dass er ungefähr jede Minute versuchte, mir in den Bauch zu schlagen, also konnte ich nur mit etwas Sicherheitsabstand hinter ihm hergehen..
Dass er plötzlich so ist, hat mich schon auch erschrocken, da er eigentlich eine solche Verhaltensweise vorher noch nicht in dieser Extremform an den Tag gelegt hatte. Aber naja, das Leben ist wohl immer für eine Überraschung gut ;)
Nunja, um fünf Uhr war meine Schicht dann beendet - und es hat sich in der Tat wie eine 10-Stundenschicht angefühlt (was vielleicht daran liegt, dass es eine war, auch wenn dazwischen noch eine Party stattgefunden hatte xD)...
Eigentlich hatte ich zu den anderen "Wharerangis" gesagt, dass wir ja noch ein bisschen in der Küche chillen und eventuell etwas kochen könnten wenn ich wieder da bin, aber als ich mich dann von der Arbeit mit all den Kuchenresten nach Hause schleppte, wollte ich eigentlich nur noch in mein Zimmer gehen und schlafen.
Aber diese Rechnung hatte ich wohl ohne meine zweite Familie gemacht...
Als ich die Küche erreichte, um die Kuchen dort abzustellen, war alles abgedunkelt, jeder war da und plötzlich erklang ein "Happy Birthday" aus unserem "Wohnzimmer".

Das Schöne war, dass auch noch zwei andere Menschen dort waren, die mir sehr wichtig geworden sind in diesem Jahr, aber nicht in Wharerangi wohnen.
Links von mir erblickte ich dann eine riesige selbstgebackene Donauwelle, Kerzen und sogar ein Geschenk.
Aber der größte Clue war das PINK FLUFFY UNICORN, das an der Decke hing!!!

Hierbei handelte es sich dann aber um eine Piñata, die ich letztendlich mit verbundenen Augen herunterschlagen musste und die mit leckeren Süßigkeiten gefüllt war.
Zunächst habe ich mich sehr dagegen gesträubt, dieses wunderschöne Pink Fluffy Unicorn zu zerstören, weil ich es einfach so unglaublich süß fand!!!!
(Achja, man entschied sich wohl für ein "Pink Fluffy Unicorn", weil ich hier einigen Leuten mit dem Lied des Pink Fluffy Unicorns schon des Öfteren einen wohl sehr bösen Ohrwurm verpasst habe uuund weil Lea und ich zu diesem Lied sogar schon eine Zeichensprache-Performance einstudiert hatten :D Wer sich den Song einmal anhören möchte, kann dies unter diesem Link tun: https://www.youtube.com/watch?v=eWM2joNb9NE).
Jedoch wurden mir dann (natürlich gegen meinen Willen :D) die Augen verbunden, zu Hardcore-Metal umgeschaltet und naja, dann war die Stimmung schon etwas anders - vor allen, als mir dann auch noch dieser lange Holzstock in die Hand gedrückt wurde :D Und nach einigen Fehlversuchen erwischte ich das arme Tier dann aber doch (und ich muss gestehen, dass es mir doch dann auch ein wenig Spaß gemacht hat:D) und konnte ihm den Magen entleeren...


Und nachdem das dann geschafft war, konnte die Party richtig losgehen.
Ok. Fast.
Eigentlich dachte ich, ich würde ganz brav so um Zehn ins Bettchen gehen, damit ich am nächsten Morgen vorbildlich um sieben Uhr wieder an der Arbeit aufkreuzen konnte.
Doch dann entschied ich, meine Moral einfach mal über Bord zu werfen - der zwanzigste Geburtstag erschien mir dafür ein geeigneter Zeitpunkt - und noch einmal zum Supermarkt zu fahren, um ein Fläschchen Wein zu kaufen.
Dort angekommen entsprang einem meiner Begleiter dann die Idee, dass der zwanzigste Geburtstag doch auch der perfekte Anlass sei, um noch einmal eine kleine Einkaufswagen-Achterbahnfahrt zu machen :D Da konnte ich natürlich auch nicht mehr "Nein" sagen, und so fand ich mich kurze Zeit in einem Einkaufswagen wieder und meine Fahrt endete dann auch erst, als einer der Security-Leute sagte, dass er das Blut nachher nicht wegwischen wollte :D :D

Aus Sicherheitsgründen musste ich dann leider aussteigen, aber das war dann auch okay, diesen Moment kann mir keiner mehr nehmen :D
Vermutlich werde ich noch meinen Enkelkindern davon erzählen, wie ich an meinem zwanzigsten Geburtstag in Neuseeland in einem Einkaufswagen herumgewirbelt wurde :D
Wieder zurück in Wharerangi füllte es sich nach und nach dann doch noch ein wenig - die Woofer von der Farm kamen noch hinzu sowie der Koch, der in der Schule arbeitet und auch die verbliebenen Volunteers aus Clive - von einem habe ich sogar eine halbstündige Massage bei Ocean Spa bekommen!!
Das war eine sehr schöne und angenehme Gesellschaft - und die Stimmung, die in der Küche vorherrschte, steckte mich an und all der Gram, der nach der Arbeit in mir gesteckt hatte, war verflogen und absolut Schnee von gestern.
Ich genoss diesen Abend in vollen Zügen, erfreute mich an dem Kuchen und auch an der unfassbar leckeren Hühnchen-Nudelsuppe, die Roland gemacht hatte sowie der leckeren Lasagne, die Jinja mitgebracht hatte, stieß mit den anderen an und trank aus meinem "heiligen Gral" (:D) und war einfach nur dankbar dafür, dass ich mit solch wundervollen Menschen hier zusammenleben darf.


Um ein Uhr war ich dann aber doch sehr müde und so langsam löste sich die Gesellschaft in der Küche auch auf. Also ging es dann ins Bett, aber das war auch völlig in Ordnung - immerhin blieb es mir ja nicht erspart, am nächsten Morgen wieder um sieben Uhr an der Arbeit erscheinen zu müssen :D
Aber dieser Abend war es auf jeden Fall wert, nicht schon brav um zehn Uhr im Bett zu liegen! :)

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